Mit der Polaris von Papenburg nach Emden

Polaris Großsegel am Gittermast
Der neue Gittermast mit Baum im Einsatz.

Nach einigen Basteleien an Bord habe ich es mal geschafft, von Papenburg nach Emden zu fahren. Anders als am Vortag hatte ich leider wenig Wind, also musste ich motoren. (Gemessene Lautstärke in der Plicht: 76 dB!) Das ist über etliche Stunden gar nicht mehr so angenehm…

Gleich beim Schleusen in Papenburg gab’s die erste Überraschung: Mein Handfunkgerät konnte zwar Empfangen — das Display zeigte auch eine volle Akkuladung — beim Senden jedoch schaltete es sich aus. Bei laufendem Motor konnte ich auch das fest eingebaute Seefunkgerät nicht bedienen — ich hätte schreien müssen und mein Gegenüber ohnehin nicht verstanden. Hinter einem ausschleusenden Frachter bin ich dann in die Schleuse eingefahren und konnte bei ausgeschaltetem Motor mit der Schleuse sprechen.

Das Problem mit dem Handfunkgerät lag an einem defekten Akku; die Zellen waren durch langen Nichtgebrauch tiefentladen. Zum Glück hatte ich noch Ersatzbatterien passender Größe dabei und konnte mich hinter der Ledamündung erfolgreich bei der Jann-Berghaus-Brücke bei Leer anmelden. Die Brückenbesatzung war so nett, den Straßenverkehr zu stoppen und mich durchzulassen.

Ziemlich peinlich: versehentlich hatte ich zunächst versucht, über Kanal 13 statt über Kanal 15 die “Leer Bridge” zu erreichen, bekam natürlich stattdessen die Schleuse Leer “Leer Lock” ans Funkgerät. Mich hat dann irgendwie stutzig gemacht, dass ich gefragt wurde, ob ich aus- oder einschleusen will… Das Missverständnis konnte aber über die korrekten Kanäle geklärt werden.

Nach etwas über dreieinhalb Stunden Motorfahrt passierte ich das Sperrwerk Gandersum — ein kolossales Bauwerk, das die Ems vor Sturmfluten schützen soll, gleichzeitig ermöglicht, den Wasserstand in der Ems für Überführungsfahrten von Kreuzfahrtschiffen der Meyerwerft in die Nordsee anzuheben. Die Durchfahrthöhe im rechten Teil beträgt nur etwa 5,30 m — für mich also zu niedrig. Flussabwärts fahrende Schiffe müssen ohnehin die offene Seite wählen.

Hinter dem Sperrwerk Gandersum weitet sich die Ems in den Dollart und hebt die Stimmung!
Steuerbord voraus sind schon große Windkraftanlagen rund um Emden zu sehen, bei Wind gegen Ebbstrom wird das Wasser hier deutlich unruhiger. Zum Glück gab’s vom Wind wenig — etwa 2 Bft — Boot und Mann blieben trocken.

City of St. Petersburg
Einfahrt in den Dollart

Vor der Einfahrt in den Hafen Emden wurde es dann etwas wuselig. Zwei Frachter überholten, während eine Fähre von Borkum — die “Friesland” — entgegenkommend ebenfalls in den Hafen einfuhr. Der Ebbstrom verlangte zusammen mit den Schraubenwassern der Schiffe doch ziemlich hektische Rudermanöver. Sobald der Neerstrom und die Hecksee der Schiffe überquert waren, wurde es dann sehr ruhig. Imposant anzusehen an Backbordseite die RoRo-Schiffe — an sich ziemlich hässliche Dinger, beeindrucken aber durch ihre schiere Größe.

Ein recht auffälliges Schiff lag an der Pier im Hafen: die “City of St. Petersburg”. Ein RoRo-Autofrachter, der für Nissan transportiert. Angeblich soll die Bugform besonders aerodynamisch sein und hunderte Tonnen von Treibstoff jährlich einsparen helfen. Mich hat’s eher an ein gewassertes Luftschiff erinnert…

City of St. Petersburg in Emden

Dem Törnführer Nordseeküste von Jan Werner hatte ich entnommen, dass am Ende des Außenhafens Emden der Emder Yacht Club einige Stege besitzt, die am Kopf Gastliegeplätze bieten. Nach einer kurzen Besichtigung legte ich dann direkt am Schwimmsteg neben dem Clubhaus an. Boot festgemacht und auf den Steg geklettert: eine sehr saubere, geordnete Anlage.

Emder Yachtclub – Gastliegeplatz

Zwar hätte ich auch direkt am Clubhaus festmachen können, war mir aber nicht sicher, ob das in Ordnung ginge. Zwecks Selbstlenzung spazierte ich dann zum Clubhaus, kam an ganz imposanten Segel- und Motoryachten vorbei und machte mich erstmal mit den örtlichen Zugangstechniken vertraut. Die Tore zu den Stegen sind über ein Zahlenschloss gesichert, die Nummer steht zum Glück innen an den Toren. Unmittelbar neben meinem Boot lag übrigens die Segelyacht “Schöner Wohnen” — ein netter Name…

Das Clubhaus bietet neben sehr sauberen Toiletten auch Duschen, die für fünfzig Cent benutzt werden können. Der Tagesliegeplatz kostet pro Meter Boot einen Euro — auch nicht zuviel für ein so kleines Boot wie meins.

Emdener Yachtclub
Schöner Wohnen in Emden…

Nach einem kurzen Schnack mit einem weiteren Gastlieger, einem Becher Kaffee und einer Zigarette mal einen Blick in den Tidenkalender: Ups, das wird schwierig mit dem Zurückfahren, wenn ich am Sonntag wieder zuhause sein will. Nachts kann ich die Ems nicht hinauf, tagsüber passt die Tide nicht. Einzige Chance: in eineinhalb Stunden den Rückweg antreten. Das hätte ich mir vielleicht vorher mal ansehen sollen. Da ich Emden aber schon kannte, war es nun auch kein Drama und so legte ich gegen 15.00 Uhr wieder ab, umkurvte ein Binnenschiff, das vorher im Wendebecken eine Pirouette gedreht hatte und tuckerte mit auflaufendem Wasser die Ems wieder hinauf gen Papenburg.

…und zurück nach Papenburg.

Beim Sperrwerk Gandersum musste ich eine Schleife fahren und einen entgegenkommenden Frachter abwarten. Mit qualmendem Auspuff unter Vollgas passierte ich das Sperrwerk, bevor mich ein Binnenschiff überholte.
Etwa in Höhe Jemgum sah ich einen Segler, der hinter mir langsam aufkam. Fock und Groß gesetzt, bei sehr schwachem Wind von Backbord querab. Mit meiner Polaris hätten mir auch die Segel nicht viel gebracht: sie braucht kräftigen Wind, bevor sie sich entscheidet, sich zu bewegen — da ist sie eigen. Am besten Raumwind. Den hatte ich aber nicht. Etwa zwei Meilen vor der Jann-Berghaus-Brücke bei Leer überholte er mich — immer noch unter Segel aber mit gesetztem Kegel — zu meiner Beruhigung. Also doch mit Motorkraft bergan.

Blick zurück.

Leider war das Boot so schnell, dass es die Brücke deutlich vor mir passierte, meine Anfrage per Funk an die Brückenbesatzung kam offensichtlich nicht verständlich durch und so schloss die Brücke wieder, bevor ich sie erreichen konnte. Eine erneute Anfrage an die Brücke brachte mir einen Rüffel ein: Ob ich den Kanal nicht abgehört hätte, die Brücke sei eben geöffnet gewesen — nun müsse ich eben warten, bis der aufgestaute Verkehr abgeflossen wäre. Mit auflaufender Flut war es nun gar nicht so einfach, das Boot auf Position zu halten. Trotz Vollgas trieb ich in der Hauptströmung langsam in Richtung Brücke. Wieder mit qualmendem Auspuff fuhr ich auf die Westseite in einen Neerstrom und konnte dort etwas entspannter auf die Öffnung der Brücke warten.

Weener Eisenbahnbrücke

Weiter Emsaufwärts passierte ich die Friesenbrücke Weener, die –nach einer Kollision durch einen Frachter schwer beschädigt– mittlerweile teilweise demontiert ist und nicht mehr geöffnet werden muss 🙂
Da kann’s auch keine Mißverständnisse geben…

Gegen 19.00 Uhr kam die Meyerwerft mit der ‘World Dream’ im Ausrüstungsdock wieder in Sicht. Kaum zu glauben, dass solche Monster schwimmen und noch verwunderlicher: dass es Menschen gibt, die eine Seereise mit solchem Schiff machen wollen. Hoch wie ein Wolkenkratzer, Kabine an Kabine mit Tausenden Mitreisenden… ich kann mir außer den dreißig Restaurants, den Fitness- und Freizeitangeboten nichts Verlockendes vorstellen — mir wäre das Meer zu weit weg und zu viele Leute um mich herum.
Noch einmal das Fahrwasser queren und mit annähernd Hochwasser an den Wartesteg vor dem Schleusentor anlegen. Maschine aus und — Ruhe.

Zehn Stunden Fahrt unter Motor schlauchen doch ziemlich. Dafür belohnte ich mich mit einer Dose “Königsberger Klopse”, einem Apfel, Kaffee und Zigaretten in der Abenddämmerung.
Der äußere Wartesteg an der Schleuse Papenburg ist nachts nicht sonderlich gut beleuchtet — daher diente mir meine Feuerhand-Petroleumlaterne wieder als batteriesparende Anker- und Festliege-Leuchte.

Abendruhe


Ende